Ich mach mich fertig

Ich fand es ja wirklich unglaublich, als ich zum ersten Mal gehört/gelesen habe, dass jeder von uns zwischen 3.000 und 4.000 Gespräche täglich mit sich selbst führt. Hätten Sie das gedacht? Ich habe mir – bildlich gesprochen – ungläubig die Augen gerieben und dachte: Wie bitte? Also hin und wieder mal, okay … das kenne ich von mir selber. Obwohl ich mich zwischendurch durchaus gefragt habe, ob das tatsächlich auch anderen so geht. Mitbekommen tut man es ja bestenfalls bei sich selbst oder die anderen müssen schon laut vor sich hinsprechen.

Diese Selbstgespräche sind nicht unbedingt vollständige Sätze. Es können (flüchtige) Gedanken sein, Worte, Vorstellungen, Bilder. Fest steht jedenfalls, wir alle sind mit uns selbst im Gespräch. Interessant, wie ich finde. Man könnte ja durchaus auf den Gedanken kommen, dass die Leute, die man schonmal auf der Strasse mit sich selbst reden sieht (oder vielleicht sogar hört?), die Ausnahme sind, vereinsamt sind oder irgendwie … ein Problem haben? Nein, wir alle reden mit uns selbst.

Als ich mit diesem Thema während der Ausbildung zur Encouraging-Trainerin wieder neu in Kontakt gekommen bin, hat es mich nicht mehr losgelassen, ich wollte tiefer einsteigen. Denn – wie gesagt – ich kenne Selbstgespräche von mir selber. Aber konstruktiv, Leben schaffend, sind sie nicht unbedingt. Das fiel mir schnell auf, als ich mal ein etwas bewusster hingehört habe.

Wenn man deutlicher wahrnimmt, was und wie man da so den lieben langen Tag mit sich selbst spricht, wie die Betonung ist, die Wortwahl und was man sich  so sagt, dann kann man erstaunt sein. Ich für meinen Teil war es jedenfalls. Mir war klar: So wie ich mit mir manchmal rede, würde ich mit meiner besten Freundin jedenfalls nicht sprechen. Da bin ich verständnisvoller. Bin zugewandter. Habe deutlich mehr Geduld. Ich würde mich ihr gegenüber nicht auf die Art und Weise äußern, wie ich es mir gegenüber so manches Mal mache.

Wie reden Sie mit sich selbst? Sind Sie mal auf den Gedanken gekommen, einfach so und unzensiert aufzuschreiben, was Sie sich da so den lieben langen Tag erzählen? Unsere Gedanken sind ja ziemlich schnell unterwegs, kaum ist der eine da, knüpft der nächste schon an, greift etwas vom vorhergehenden auf und entwickelt es weiter; das passiert blitzartig und auch die Assoziationen und Verknüpfungen sind sehr vielfältig und bei keinen zwei Menschen gleich. Wenn man das Ganze wirklich mal über einen gewissen Zeitraum verfolgt und notiert, stellt man fest, so furchtbar viel Verschiedenes sagen wir uns gar nicht … ein paar Sätze/Gedanken/Bilder kommen auf jeden Fall häufiger vor. Das hat mit uns persönlich zu tun, mit unserem Gewordensein, unserer schöpferischen Kreativität, unserem Lebensstil – so nennt es die Individualpsychologie.

Ursprünge unserer heutigen Selbstgespräche liegen zum Teil in unserer Kindheit. Dabei kann es sich um verinnerlichte Sätze handeln, die die Erziehungsberechtigten oder andere Autoritäten zu uns gesagt haben. Oder um Sätze, die wir sie haben sagen hören, darüber wie sie das Leben und die Welt wahrnehmen. Wie sie vielleicht laut mit sich selbst gesprochen haben. Wir haben sie für den Umgang mit uns selbst adaptiert oder neue und andere gebildet. „Du schaffst das!“ wäre ein positives Beispiel. Eine Ermutigung, die getragen ist von Zutrauen: „Ich trau dir das zu. Du kannst das. Du hast alles in dir an Fähigkeiten und Ressourcen, was du brauchst, um diesen Schritt zu gehen!“ Wie ermutigend! Jemand, der das heute als Erwachsener vor einer herausfordernden Situation zu sich selbst sagt, kann sicher anders in diese Situation hineingehen, als jemand, der zu sich sagt: „Stell dich nicht so an!“ oder: „Das schaffst du eh nicht, weisst du noch, letztes Mal? Das ist echt schief gelaufen und war ganz schön blöd!“

Wenn ich überlege, wie ich mich selbst er- oder entmutigen kann, dann spielen die Selbstgespräche sicherlich eine Schlüsselrolle. Und natürlich passiert hier ganz viel unbewusst, es sei denn, wir hören wirklich mal genauer hin. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass 77% von dem, was wir uns selber sagen, eher entmutigend als ermutigend ist; es wirkt also eher gegen uns als für uns. Wenn wir in unseren Selbstgesprächen kritisch, bewertend, ablehnend mit uns selbst umgehen, kann man sich leicht vorstellen, wie wir uns damit fühlen. Was fühlen Sie, wenn Ihnen jemand sagt: „Na, das hast du aber wirklich dämlich angestellt“? Oder: „War ja klar, dass dir das wieder passiert!“ Nicht anders fühlen wir uns, wenn wir selbst so mit uns reden. Wie fühle ich mich, wenn ich morgens beim Aufstehen denke: „Oh je, heute habe ich ein Gespräch mit Kunde XYZ. Beim letzten Mal schon dachte ich, das klappt nicht. Der ist aber auch immer so dominant und unverschämt … ich habe sowas von keine Lust darauf. Das wird ein besch… Tag.“? Mit welcher Erwartungshaltung gehe ich wohl in diesen Tag? Welche Gefühle stehen im Vordergrund? Wie wird das Kundengespräch laufen?

Was wäre, wenn ich in derselben Situation denke/zu mir sage:“Ich bin ja mal gespannt, wie es heute bei der Arbeit wird. Letztes Mal ist es mit dem Kunden nicht so gut gelaufen. Aber ich kenne auch ganz andere Kundengespräche; in der Regel laufen sie locker und gut. Ich kann gut auf Menschen eingehen und mit ihnen herausarbeiten, was sie brauchen. Dieser Kunde hatte beim letzten Mal vielleicht einfach einen schlechten Tag und es hatte gar nichts mit mir zu tun. Heute ist eine neue Chance!“

Unsere Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen bestimmen massgeblich mit, welchen Verlauf die Dinge nehmen und wie wir uns fühlen. Wenn ich mir nichts zutraue und etwas Negatives erwarte, werde ich mich auch auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Wie rede ich mit mir selber, wenn das geschieht, was ich unbewusst erwarte und mir in meinen Selbstgesprächen immer wieder vor Augen gemalt habe? Es kommt ein Kreislauf in Gang. Und das gilt für Positives genauso wie für Negatives: Das Positive, was ich mir sage, wird mich ermutigen und ich werde entsprechend handeln und das Negative, welches meine Erwartung bestätigt, wird mich entmutigen. Als Folge werde ich auch wieder auf eine bestimmte Art und Weise mit mir sprechen und in der Folge auch handeln.

Wenn Sie jetzt entmutigt und Sie erschrocken sind über das, was Sie bei sich selbst wahrnehmen: Es gibt eine ermutigende Nachricht: Es ist nicht nötig, all unsere Selbstgespräche, die negativ geprägt sind, zu verändern. Das ist auch gar nicht möglich. Auch mutige und optimistische Menschen führen negative Selbstgespräche. Auch sie haben pessimistische Gedanken. Aber sie reden sich gleichzeitig deutlich mehr auch positiv zu. Es geht also gar nicht darum, die negativen Selbstgespräche zu unterdrücken und damit – so gesehen – gegen sich selbst zu kämpfen. Da würde die Energie an falscher Stelle verbraucht. Aber bewusst ab und zu einen positiven Gedanken mehr einzustreuen und den negativen inneren Dialog auf diese Art durch ermutigende Gedanken zu erweitern, das schafft Raum für Veränderung.

Wie man das praktisch lernen und trainieren kann? Dafür gibt es hilfreiche Werkzeuge, die das Bewusstsein schärfen, an bestimmten Stellen Positives zu verankern und mit in den Denkprozess einfließen zu lassen. Kennenlernen und trainieren kann man ein paar dieser Werkzeuge unter anderem beim Encouraging-Training.

Bei der nächsten anstehenden Aufgabe, die sie herausfordert, ermutige ich Sie: Machen Sie sich fertig! Nicht, indem Sie sich klein reden, Druck aufbauen, sich ständig das vor Augen führen, was schief laufen kann und sich all das sagen, was Sie entmutigt. Trauen Sie sich etwas zu, richten Sie den Blick auf Ihre Stärken und Ressourcen. Und lassen Sie das in Ihre Selbstgespräche einfliessen.

Wenn Sie sich für eine große Wanderung vorbereiten, ziehen Sie sich auch das richtige Schuhwerk an, um beste Voraussetzungen für ein gutes Erlebnis zu schaffen. Vielleicht habe Sie sich extra zum Wandern neue Schuhe gekauft. Passende Schuhe, die auf Sie und die Strecke abgestimmt sind. Sie haben die Schuhe eingelaufen, um vertraut mit ihnen zu sein. Und wenn Sie die Strecke erfolgreich bewältigt haben, über sich selbst hinaus gewachsen sind, sorgen Sie dafür von ganz alleine dafür, dass Ihnen das Erlebnis in positiver Erinnerung bleibt. Da gibt es Fotos, die geteilt werden. Die Sie sich anschauen, um sich daran zu erinnern, was für ein tolles Erlebnis diese Wanderung war, was Sie geschafft und erreicht haben. Bei zwischendurch vielleicht auch sehr herausfordernden Streckenabschnitten.

Machen Sie es heute in Ihrem Alltag ebenso: Rüsten Sie sich aus, um gut vorbereitet zu sein. Mit Zutrauen in Ihre Fähigkeiten, einem ermutigenden Satz und mit dem Blick auf das, was Sie bisher alles schon erreicht und bewältigt haben. Was an Stärken in Ihnen lebt. Womit Sie ausgerüstet sind für die vor Ihnen liegenden Aufgaben. Sie haben schon so viele Herausforderungen gemeistert, sonst wären Sie nicht da, wo Sie heute sind! Machen Sie sich fertig und bereit für die Herausforderung Alltag und sorgen Sie für gute Ausrüstung in Form von guten, ermutigenden Gedanken über sich selbst!

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